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Gedanken des scheidenden Geschäftsführers

28.06.2016

Mitgliederversammlung vom 30. Mai 2016

Gedanken des scheidenden Geschäftsführers

Geschätzte HEV-Mitglieder, sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich und danke dafür, dass ich an der letzten Mitgliederversammlung als Geschäftsführer Ihres Verbandes die Möglichkeit erhalte, mich ohne Themenvorgabe an Sie zu wenden.

Aus einer grossen Menge von Erlebnissen, Erfahrungen, Erkenntnissen, Erfolgen und Misserfolgen in meiner Tätigkeit für den HEV von Stadt und Kanton St.Gallen sowie als Mitglied der Sekretärenkonferenz des HEV Schweiz, während einem Drittel Jahrhundert, beschränke ich mich auf drei allgemeine HEV-Themen:

  • Die Schweiz, ein Land der Mieter.
  • Eigenmietwertbesteuerung.
  • Der HEV hat auch einen politischen Auftrag.

    Da aber jedes dieser Themen abendfüllend wäre, kann ich nur Teilbereiche ansprechen, nehme mir dafür die Freiheit, auch auf Schnittstellen zu weiteren Themen und Fragen, auch provokativen, hinzuweisen. Ich wende mich in Schriftsprache an Sie, weil ich so präziser bleibe und mich auch kürzer fasse, als in der freien Rede.

    1. Die Schweiz, ein Land der Mieter

      Seit 1980 hat sich der Anteil der Wohneigentümer in der Schweiz deutlich erhöht, nämlich von 30 auf etwa 40 Prozent. In internationalen Vergleichen wird die Schweiz sogar mit 44 Prozent aufgeführt. Dies ist sehr erfreulich, ändert aber nichts daran, dass die Schweiz immer noch deutlich das europäische Schlusslicht darstellt.

      Ein Blick auf diese Auswertung lässt interessante Erkenntnisse zu:
    • Die Höhe der Wohneigentümerquote ist nicht von den politischen Mehrheiten in einem Staat abhängig.
       
    • Der Durchschnitt im EU-Raum liegt bei gut 70 Prozent.
       
    • Die Höhe der Wohneigentümerquote in den einzelnen Ländern hängt auch nicht von der Wirtschaftskraft und dem Wohlstand ab, höchstens in umgekehrter Relation!
    • So belegen mit Lettland, Estland, Polen, Bulgarien, Ungarn, Kroatien, Litauen (von 80 bis 90 Prozent) sowie mit Ungarn, Slowakei, Rumänien (von 90 bis 97 Prozent) finanzschwächere, landwirtschaftliche Länder, viele davon aus dem Ostblock, die Spitzenplätze. In dieser Gruppe ist Norwegen mit 84 Prozent die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.
       
    • Mit Frankreich, Grossbritannien, Dänemark (zwischen 65 und 60 Prozent) sowie Österreich (57 Prozent) und Deutschland (53 Prozent) liegen Wirtschaftsmächte und drei Nachbarstaaten, im hinteren Viertel Europas, aber doch noch um einiges vor der Schweiz.

      Welches sind nun die Gründe, dass die Schweiz weiterhin ein Land der Mieter ist? Einige Antworten aus meiner Sicht:
       
    • Die Bodenknappheit. In der Schweiz umfasst das Siedlungsgebiet mit rund 2‘300 km² nur 6 Prozent der gesamten Bodenfläche (Zahlen 2012). Dies führt zu hohen, sehr hohen Bodenpreisen. – Dies auch à-propos verbetonierte Schweiz!
       
    • Der hohe Mietstandard. In der Schweiz gibt es auch im Mietsegment ein grosses Angebot von hohem und höchstem Wohnstandard. Noch vor kurzem, wenn nicht sogar teilweise noch heute, mussten Mieter in Deutschland Kochherd und Kühlschank selber mitbringen, was in der Schweiz unvorstellbar ist.
       
    • Das Grundeigentum wird übermässig besteuert. Während die meisten Länder das steuerprivilegierte Bausparen fördern, wird dies in der Schweiz bis heute abgelehnt. Der Eigenmietwert ist ein spezielles und exotisches Modell (dazu mehr im folgenden Abschnitt). Vermögenssteuern auf Grundeigentum, hohe Gebühren und am Schluss folgt noch die Grundstückgewinnsteuer.
       
    • Die politische Schweiz hat ein „gestörtes Verhältnis“ zum selbstgenutzten Wohneigentum. Die verfassungsmässige Förderung des Wohneigentums (Art.108 BV) wurde nie aktiv wahrgenommen, vielmehr erschwert, wenn nicht sogar verhindert. Die Eigentumsgarantie ist gefährdet.

      Zur ersten Schnittstelle:
      Bei der Ausgestaltung der Steuern ist der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beachten (Art.127 BV). Meine Frage: Wird diesbezüglich bei der Besteuerung der Immobilien und der Dividendenerträge, wenn ich an die kürzlichen Unternehmenssteuerreformen denke, mit gleicher Elle gemessen?
    1. Eigenmietwerbesteuerung

      Das geltende System kommt – meistens jüngeren – Eigentümern mit einer hohen Belehnung entgegen, wobei dies in der nun langen Tiefzinsphase deutlich weniger steuerwirksam ist. Das Eigenmietwertmodell ist aber für langjährige Eigentümer mit tiefem Fremdkapital ein Nachteil.

      Ein Systemwechsel, mit Wegfall des Eigenmietwertes, der Hypothekarzinsen und der Unterhaltskosten ist deshalb auch innerhalb der Wohneigentümer nicht unbestritten. Deshalb ist zu hoffen, dass die Motion Egloff, welche dem Wohneigentümer – nicht erst im AHV-Alter – das einmalige Recht für den Systemwechsel einräumt, in absehbarer Zeit auch im Ständerat Unterstützung findet und umgesetzt wird, nachdem sich der Nationalrat bereits vor zwei Jahren dafür ausgesprochen hatte. Die kritische Haltung der Kantone erschwert aber eine Zustimmung des Ständerats!

      Auslöser für diese parlamentarische Motion des Präsidenten des HEV Schweiz war die knappe Ablehnung der HEV-Initiative „Sicheres Wohnen im Alter“ in der Volksabstimmung vom 23. September 2012, welche mit 47,4 Prozent Ja-Stimmen und der Zustimmung in 9 ½ Kantonen ein sehr gutes Ergebnis erreicht hatte. Hoffentlich stehen wir kurz vor einer guten Lösung aus Verbandssicht!

      Schnittstelle:
      Die Meinungen der Kantonsregierungen und der kantonalen Finanzdi-rektoren, welche sich oft nicht mit der Meinung der kantonalen Bevölkerung decken, geniessen im Ständerat einen hohen, einen zu hohen Stellenwert. In diesem Zusammenhang ist an das Instruktionsverbot zu erinnern, wonach die Mitglieder der Bundesversammlung – also beider Räte – ohne Weisungen stimmen (Art. 161 BV).


      An dieser Stelle erinnere ich an zwei weitere Volksinitiativen zum Eigenmietwert, auch wenn sie nicht erfolgreich waren, bei denen ich mitarbeiten und mitgestalten durfte:
    • Im Frühjahr 1984, in meinem zweiten HEV-Jahr, lancierte der Kantonalverband St.Gallen die kantonale „Volksinitiative für breite Streuung und massvolle Besteuerung von Wohneigentum“. Ziel war der Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung. Der Abzug sollte nur noch möglich sein für jenen Betrag, der den bisherigen Eigenmietwert übersteigt, also im Bereich der sogenannten Negativrechnung. Die Initiative konnte mit der Rekordzahl von 18‘814 Unterschriften eingereicht werden, wurde dann aber leider als rechtlich unzulässig abgewürgt, da diese Forderung gegen Bun-desrecht verstosse. Den endgültigen Entscheid fällte das Bundesgericht, übrigens das erste und einzige Mal, dass ich das höchste Gericht der Schweiz in Lausanne von Innen sah! Deshalb konnten die Stimmberechtigten des Kantons St.Gallen ihre Meinung nicht kundtun.
       
    • Der HEV Schweiz hatte bereits in den 90er-Jahren eine Volksinitiative, die erste in seiner Geschichte, initiiert mit dem Titel „Wohneigentum für alle“. Jene Initiative scheiterte im Jahre 1999 mit 41 Prozent Ja-Stimmen. Für mich trotzdem eine besondere Erinnerung. Bei der Vorbereitung der Initiative, gehörte ich nicht nur der Arbeitsgruppe des HEV Schweiz an, welcher unter anderen auch der damalige Präsident Dr. Hans Feldmann, der damalige Vizepräsident Dr. Andreas Iten sowie der spätere Präsident Nationalrat Toni Dettling angehörten. Ich durfte die Arbeitsgruppe sogar präsidieren und den Antrag an der Delegiertenversammlung, soweit ich mich erinnere in Altdorf, vorstellen. Schön, dass damals meine Mitarbeit und Meinung im HEV Schweiz geschätzt worden war!

      3. Der HEV hat auch einen politischen Auftrag

      Viele Vereine sind politisch und konfessionell neutral. Dies ist aber gemäss Vereinsrecht keineswegs zwingend. Auch die politischen Parteien sind in der Schweiz in den meisten Fällen in Vereinsform konstituiert. Ob und in welchem Bereich, ein Verein neutral sein soll, beschliessen somit die Vereinsmitglieder bei der Vereinsgründung oder einer Statutenrevision.

      Wenn der HEV St.Gallen, also unsere Sektion, ähnlich wie der Kantonalverband und der HEV Schweiz, „die Förderung, Wahrung und Vertretung der Interessen der Haus-, Stockwerk- und Grundeigentümer bezweckt“ (Art.3 Statuten HEV St.Gallen), bekommt ein Verein damit auch einen politischen Auftrag.

      Deshalb ist es auch richtig und wichtig, dass der HEV auf allen Ebenen sich gegen Eingriffe in die Eigentumsgarantie und Verschlechterungen bei der steuerlichen Behandlung der Grund-, Haus- und Wohneigentümer zur Wehr setzt. Wer, wenn nicht der Hauseigentümer-Verband, sollte sonst neue Enteignungstatbestände und andere Eingriffe in die Eigentumsgarantie kritisch hinterfragen? Dies war kürzlich auf kantonaler Ebene beim neuen Planungs- und Baugesetz (nPBG) der Fall. Auf Bundesebene stellte sich die gleiche Frage bei der Asylgesetzrevision. Es ist dann die Aufgabe und Verantwortung des zuständigen Organs, nach Abwägen aller Vor- und Nachteile sowie Chancen und Risiken, über ein allfälliges Referendum und die Abstimmungsparole zu befinden.

      Wenn wir die Verbandsziele erreichen wollen, muss der HEV politisch handeln und auch den Mut haben, Abstimmungsparolen und Wahlempfehlungen zu beschliessen. „Allen recht getan!“, ist bei einem Verband mit 4‘000, resp. 30‘000 resp. 330‘000 Mitgliedern auf den drei Ebenen nie möglich. Nichts tun würde dem statutarischen Auftrag nicht entsprechen und wäre falsch und mutlos!

      Somit ist der Hauseigentümer-Verband politisch nicht neutral, aber der Sache – und keiner Partei – verpflichtet! Dies kann aber falsch verstanden werden. Deshalb kommt der richtigen Kommunikation eine hohe Bedeutung zu.

      Hier gibt es eine grössere Anzahl von Schnittstellen:
    • Die Medien werden oft als vierte Staatsgewalt bezeichnet. Was ihren Einfluss betrifft, stellt sich die Frage, ob sich die Medien nicht bereits zur ersten oder mindestens einflussreichsten Staatsgewalt entwickelt haben.
       
    • Im Rahmen der politischen Diskussion und Beurteilung unterschiedlicher Standpunkte interessiert die Auslegung verschiedener Begriffe wie „bürgerlich“ und „populistisch“. Je nach Standpunkt fällt die Definition unterschiedlich aus. Die Medien sind dabei nicht immer objektiv.
       
    • Der „Wirkungsgrad“ der parlamentarischen Gruppe „Haus- und Grundeigentum“ des Kantonsrats St.Gallen hat sich in den vergangenen Jahren sehr erfreulich entwickelt. Ohne die enge Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und den Kommissionsberatungen zum neuen Planungs- und Baugesetz (nPBG) in den vergangenen Monaten, unter Einbezug der Wirtschaftsverbände und des HEV, wäre die unakzeptable Vorlage der Regierung gescheitert. Die stark korrigierte und in der April-Session beschlossene Fassung kann auch vom HEV mitgetragen werden. Dies ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit unter den bürgerlichen Parteien im Kanton St.Gallen und eine starke Antwort auf die Unsachlichkeit in Ver-waltung, zuständigem Departement und der Regierung bei gewissen Vor-lagen.

    Abschliessend halte ich fest, dass es sich bei diesen Ausführungen nicht um mein HEV-Vermächtnis handelt. Zwar gebe ich nun die Geschäftsführungsverantwortung weiter, ziehe mich aber noch nicht zurück, was bis in die Regierung bedauert werden dürfte! Vielmehr gibt es noch viel zu tun, wie ich bei der Umfrage des „St.Galler Tagblatts“ für die Kantonsratswahlen 2016 geantwortet hatte, warum man kandidiere. Ich werde mich deshalb auch in meiner siebten Amtsdauer im Kantonsrat und als Vorstandsmitglied im HEV Kanton St.Gallen weiterhin für die HEV-Anliegen einsetzen. Die Weichen werden in den Vorberatenden Kommis-sionen und im Parlament gestellt. Bei umstrittenen Vorlagen kommt es aber auch auf die Unterstützung der Stimmberechtigten an. Deshalb danke ich für Ihr Vertrauen in den letzten 33 Jahren und zähle auf Ihre weitere Unterstützung bei kommenden Abstimmungen.

    Karl Güntzel

    30.05.2016