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Wohnraumstrategie der Stadt St. Gallen - Auftakt zur Verstaatlichung des städtischen Wohnens

27.10.2020

Wohnraumstrategie Stadt St.Gallen: Analyse getrübt durch kollektivistische Massnahmen - Eine hohe Leerstandsquote sorgt in der Stadt St.Gallen bereits heute für günstigen und bezahlbaren Wohnraum. Fördermittel für gemeinnützige Wohnbauträger werden seit Jahren nicht genutzt. Dennoch forciert die Direktion Planung und Bau unter Stadträtin Maria Pappa mit ihrer neuen Wohnraumstrategie die Kollektivierung des städtischen Wohneigentums.

Am 26. Oktober 2020 hat die Direktion Planung und Bau ihre Wohnraumstrategie publiziert. Für die Analyse wurden bis im Frühjahr 2020 in partizipativen Workshops – bei denen auch der HEV mitwirkte – verschiedene Themen aufgearbeitet. Die Strategie selbst wurde danach verwaltungsintern verfasst und ohne eine Vernehmlassung bei den Gesprächspartnern publiziert. Das Ergebnis der Wohnraumstrategie ist deshalb nicht nur durchzogen, sondern getränkt von kollektivistischen Massnahmen. 

Keine Ausschreibung von städtischen Grundstücken?
Die Wohnraumstrategie möchte neue und innovative Angebote hauptsächlich über den gemeinnützigen Wohnungsbau fördern. Bei einer Grosszahl der Massnahmen sollen solche Wohnbauträger die Umsetzung exklusiv und priorisiert sicherstellen. Dabei zeigte sich in der Stadt St.Gallen in den letzten Jahren exemplarisch, dass trotz üppiger Fördermittel kaum Anträge für Subventionen von gemeinnützigen Wohnbauträgern gestellt wurden.  Seit fast einem Jahrzehnt gab es keine Anträge mehr. Dass die Wohnraumstrategie in diesem Wissen kaum Massnahmen formuliert, welche mit privaten Immobilienakteuren aktiv umgesetzt werden, steht für das kollektivistische Dogma, welches hinter dieser Wohnraumstrategie steht. Während andere Städte in Ausschreibeverfahren von Grundstücken lediglich den Anteil des gemeinnützigen Wohnungsbaus vorschreiben und gemischte Konsortien aus privaten Immobilienentwicklern und Wohnbauträgern zulassen, soll dies in der Wohnraumstrategie nur die Ausnahme sein. Diese fatale Fehlentwicklung wird der HEV mit allen Mitteln bekämpfen.

Hochverschuldete Stadt will städtisches Liegenschaftenportfolio ausbauen
In der Stadt St.Gallen ist der Leerwohnungsbestand von drei Prozent einer der höchsten aller Schweizer Städte. Ein Grund dafür ist auch das seit Jahren vernachlässigte Liegenschaftenportfolio der Stadt St.Gallen. Erneuerungsinvestitionen wurden oft nicht getätigt, die Wohnungen verlottern und ziehen sozial benachteiligte Personen der umliegenden Gemeinden an, welche dann die Unterstützungsleistungen der Stadt beanspruchen. Die Stadt ist bekannt dafür, dass sie viel zu spät kostspielige Gesamtsanierungen einleitet. Nun möchte die Stadt St.Gallen gemäss Wohnraumstrategie ihr Liegenschaftenportfolio um weitere 10% ausbauen und hierfür einen Rahmenkredit beantragen. Dass der Stadtrat trotz der hohen Verschuldung nun weitere stadteigene Wohnungen bauen und damit private Anbieter verdrängen möchte, ist nur noch stossend. Der HEV wird entsprechende Kredite und die Anpassung der Gemeindeordnung bekämpfen. Zudem wird er ein Gegenmodell zu vermehrten Public-Private-Partnership-Lösungen erarbeiten, wie die Stadt St.Gallen ihr veraltetes und überdimensioniertes Liegenschaftenportfolio in Kooperation mit Privaten und nicht subventionierten gemeinnützigen Wohnbauträgern verflüssigen oder erneuern kann.

Ausbau des Beamtenstabs statt Anreize – Aufbau von Doppelspurigkeiten
Zahlreiche Massnahmen betreffen auch die staatliche Koordination und Vernetzung, inklusive des Aufbaus von Beratungsstellen. Stellenanträge und der Ausbau des Beamtenstabs in der Direktion Planung und Bau sind damit garantiert. Durch ein solches staatliches Angebot werden aber private Anbieter, Bausachverständige und Architekten aus dem Markt gedrängt, die bereits heute mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung pionierhaft mithelfen, Innenverdichtungsprojekte oder die Konzeption von neuen Wohnformen mit privaten Bauherren umzusetzen. Anstelle des Ausbaus einer staatlichen Wohnbausteuerung sollte sich die Stadt St.Gallen beispielhaft an der Gemeinde Köniz orientieren. Schliessen sich dort mehrere private und/oder öffentliche Grundeigentümer freiwillig zusammen, so kann eine so genannte Transformationszone geschaffen werden. In dieser Zone ist eine höhere Ausnützung möglich als bei der Regelbauweise. Entsprechende Mehrwerte entschädigen für den Aufwand zur Koordination der Grundeigentümer und die Erarbeitung von gemeinsamen Planungen und Konzepten. Gesteuert wird so über clevere, freiwillige Anreize anstelle neuer Beratungsstellen, Bevormundungen und Auflagen. Verschiedenen Vernetzungsveranstaltungen des HEV mit Fachpartnern adressieren bereits die Themen Innenverdichtung, neue Wohnformen und die aktive Umnutzung des Bestandes unter Einbezug von Liegenschaftsbesitzern. Die Stadt sollte es auch deshalb vermeiden, mit parallelen Veranstaltungen und Netzwerken unnötige Doppelspurigkeiten auf Kosten der Steuerzahler ins Leben zu rufen.

Steuern werden in Überlegungen ausgeklammert
Einzig positiv erwähnen lässt sich, dass die Wohnraumstrategie wichtige Elemente der HEV Studie aus dem Jahre 2018 aufgenommen hat: die Familien verlassen die Stadt und finden kaum Wohnraum, für vermögende und Personen gibt es zu wenig attraktive Wohnangebote. Erwähnt wird in der Wohnraumstrategie jedoch mit keinem Wort, dass die hohe Steuerbelastung in der Stadt zu einem der Hauptgründe gehört, wieso Bewohner die Stadt verlassen. Neue Wohnangebote für attraktive Steuerzahler zu schaffen ist zwar richtig aber kaum wirksam, wenn im Steuerdossier keine Gegenmassnahmen beschlossen werden. 

Der HEV wird in einer kommenden Vorstandssitzung die in der Wohnraumstrategie formulierten Handlungsfelder und Massnahmen im Detail analysieren und wo nötig entsprechende Massnahmen und Projekte einleiten, um die Fehlentwicklungen in der städtischen Wohnraumpolitik zu korrigieren. 

¹ Der 1991 ins Leben gerufene 12 Millionen-Rahmenkredit über das «Reglement zur Erhaltung preisgünstiger Wohnungen» wurde in den vergangenen Jahren knapp zur Hälfte (CHF 6,5 Mio.) genutzt. Mehr noch: der letzte Antrag für Subventionen wurde 2011 bewilligt.