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Mitwirkung bis zum Umfallen

09.02.2024

Die Stadt St.Gallen befeuert unsere Mail-Eingänge schon fast im Wochentakt mit neuen Mitwirkungsmöglichkeiten. Ein hehres Ziel des aktiven Einbezugs wird zum Spiessrutenlauf der Engagierten – Ermüdung ist garantiert.

«Willkommen auf der Mitwirkungsplattform der Stadt St.Gallen.» So werden Sie begrüsst, wenn Sie auf der elektronischen Mitwirkungsplattform der Stadt St.Gallen landen. «Wirken Sie jetzt mit!», so der Aufruf der Stadt. Es gibt fast keinen Lebensbereich, bei dem man nicht zur Mitwirkung eingeladen ist. Bachöffnungen, Erschliessungen, Sondernutzungspläne, Wasser- und Strassenbauprojekte, Nutzungsvisionen wie auch Strassenklassierungen eröffnen es Verbänden, Privaten, Direktbetroffenen und sonstigen Anspruchsgruppen, sich per Mitwirkung vernehmen zu lassen.

Aufwändige Erarbeitung von Inhalten

Im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussionen hat Partizipation einigen Auftrieb erhalten. Unter anderem wird die Partizipation als Mittel gesehen, um bei komplexen gesellschaftlichen oder politischen Themen einen Lernbzw. Zielfindungsprozess in Gang zu setzen. Oft wurden Verbände und Anspruchsgruppen bereits bei der Erarbeitung der Strategien oder Konzepte des Stadtrats einbezogen, wo in tageweisen Workshops um Lösungen gerungen wird. Spätestens beim Maileingang einer neuen Mitwirkung erkennt man dann, dass kaum ein Anliegen aufgenommen wurde. So wurde etwa die Stellungnahme des Stadtverbands zur Richtplananpassung 2022 von den auswertenden Behörden fast durchgängig ignoriert – obschon man der Verwaltung verschiedene detaillierte Konzepte und Lösungsansätze zur Verfügung gestellt hatte. Entsprechend haben verschiedene Verbände begonnen, auf ein Engagement in Workshops oder Mitwirkungen ganz zu verzichten. Sie umgehen so auch den Vorwurf der Regierenden, man sei doch angehört worden und dürfe deshalb im politischen Ringen keine Kritik mehr anbringen.

Stimmen Resultate nicht – wird umgedeutet

Kommen dann in einer Umfrage für eine Begegnungszone in der Webersbleiche 12 von 18 Teilnehmenden zum Schluss, dass es keine solche Begegnungszone braucht, wird von einem bescheidenen Rücklauf (14%) gesprochen. Die Stadträte nehmen das Resultat zwar zur Kenntnis, lassen aber verlautbaren, dass sie die Planung für eine Begegnungszone in diesem Gebiet trotzdem fortführen. In der Begründung sprechen sie unter anderem von der Ausgestaltung des Gebiets, das wie geeignet für eine Begegnungszone sei. Was die Mehrheit, die sich vernehmen liess meinte, ist dafür egal. Wahrlich ein eigenwilliges Demokratieverständnis: Wenn einem das Resultat nicht passt, wird es negiert und nach eigenem Gutdünken weitergemacht. So bleibt der Anreiz für Private und Verbände, bei wichtigen Themen aktiv mitzugestalten, auf der Strecke.

Ermüdung garantiert

Wenn jeder Strasseneinlenker und jedes freizulegende Bächlein der St.Galler Gesamtgesellschaft zur Mitwirkung unterlegt wird, dann ist dies ermüdend und führt zu einem schleichenden Rückzug der gestaltenden Kräfte. Der Stadtrat sollte sich allenfalls besser überlegen, wo er eine öffentliche Mitwirkung lanciert und wo er sich des Regierens besinnt. Mitwirkungen sollten sich auf Vorhaben beschränken, wo es um komplexe gesellschaftliche, wirtschaftsrelevante oder politischen Themen geht, die einen breiten Zielfindungsprozess verlangen und den Goodwill von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Interessengruppen verdienen. Damit diese ihr Wissen und ihre Lösungskompetenz auch im Zukunft zur Verfügung stellen.