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Parlament in der Pflicht

HEV Stadt St.Gallen
30.11.2018

Drohender Liebesentzug - Mit dem Budget 2019 beantragt der St.Galler Stadtrat das Festhalten am bisherigen Steuerfuss von 144 Prozent. Von angemahnten Sparanstrengungen ist erneut nichts zu spüren. Die Gemeinden rund um St.Gallen senken dafür ihre Steuerfüsse munter weiter und verschärfen die Steuerfussdisparität. Ob sich die bürgerlichen Parteien wenigstens dieses Jahr zu einer Steuerfusssenkung zusammenraufen, bleibt fraglich. Es bahnt sich ein heisser Dezember an.

Man vergisst es zu gerne: zehn Prozent der Einwohner bezahlen die Hälfte aller Einkommens- und Vermögenssteuern, 29 Prozent sogar drei Viertel. Dass gute Steuerzahler der Stadt St.Gallen leider schleichend den Rücken kehren, konnte der HEV in seiner Wohnortstudie nachweisen. Die Entwicklung des durchschnittlichen Reineinkommens zeigt, dass sich in den letzten Jahren Haushalte aus höheren Einkommensklassen vermehrt für einen Wegzug aus der Stadt St.Gallen entschieden haben. Gibt es nicht endlich deutlichere Signale, diese Entwicklung zu durchbrechen, so ist ein weiterer Abfluss von Steuersubstrat zu befürchten. Eine weitere Entwicklung sollte uns aber ebenfalls zu denken geben. In den letzten Jahren stammten über 11% der Einnahmen für die öffentlichen Aufgaben unserer Stadt von den Unternehmen selbst. In St.Gallen wächst die Beschäftigung hauptsächlich über neue Stellen im öffentlichen Dienst, die Beschäftigungsanteile bei den Unternehmensdienstleistungen entwickeln sich hingegen negativ (vgl. Grafik). Gerade letzteres Segment ist oft mit kreativen, innovativen und zukunftsgerichteten Arbeitsplätzen verbunden, die Wertschöpfung und damit neues Steuersubstrat generieren. Während andere Schweizer Städte im öffentlichen Sektor ebenfalls wachsen, können diese im Gleichschritt privatwirtschaftliche Jobs bei den Unternehmensdienstleistungen anziehen. Dies sorgt für ein ausgewogenes Wachstum von Staatsquote und Steuerkraft. St.Gallen gelingt dies jedoch nachweislich nicht.

Doch alleine dem Stadtrat den schwarzen Peter zu reichen, wäre gar einseitig. Betrachtet man im Budget 2019 der Stadt die Kostentreiber auf der Ausgabenseite, so sind darunter zahlreiche vom Parlament beschlossene Angebotserweiterungen. Viele dieser Vorhaben wurden auch mit dem Segen der bürgerlichen Parteien verabschiedet – obschon die Schieflage des städtischen Haushalts allseits bekannt ist. Am 11. Dezember 2018 kommt es bei der Budgetsitzung des Stadtparlaments deshalb zur Nagelprobe. Gelingt es dem Parlament endlich vorausschauend zu handeln und eine massvolle Steuerfusssenkung zu schnüren, oder soll weiter zu Lasten der kommenden Generationen gewurstelt werden. Der Stadtrat müsste dann nochmals über die Bücher und innerhalb seines Haushalts die Prioritäten besser setzen. Verzettelt man sich jedoch erneut an Detailfragen und anderen Animositäten, so wäre dies der Sache nicht dienlich. Die Frage, wie lange die Bürger und Steuerzahler dieser Stadt, aber auch wir Verbände, diesem Treiben noch zuschauen dürfen oder werden, stellt sich immer mehr.